So abwechslungsreich wie seine Landschaft ist auch die Geschichte Südtirols. Immer wieder mussten sich die Südtiroler in ihrer Geschichte an einen anderen Herrscher gewöhnen, immer wieder wechselte dabei auch ihre Volkszugehörigkeit. Kein Wunder also, dass sich viele Südtiroler auch heute noch als ein eher autonomes Volk sehen und sich selbst als Südtiroler (und eben nicht als Italiener) bezeichnen.
Dabei zeigt ein Besuch in Südtirol auch immer wieder, dass Südtirol nicht gleich Südtirol ist. Je nach Tal werden unterschiedliche Dialekte gesprochen, unterschiedliche Bräuche und unterschiedliche Traditionen gepflegt. Was aber alle Südtiroler verbindet, ist ihre Liebe zu der wunderschönen Bergwelt, in der sie leben, ihre Liebe für gutes Essen und eine echte und unverfälschte Herzlichkeit.
Stürmisches Mittelalter: Karl der Große und die Grafen von Tirol
Bis zum 5. Jahrhundert gehörte das Gebiet des heutigen Südtirols zum Römischen Reich. Damit standen die Bergbewohner unter dem mächtigen Schutze Roms und erlebten eine relativ friedvolle Phase, da die mächtigen Alpen im Norden einen sicheren Schutz gegen Eindringlinge boten. Mit dem Zerfall des Römischen Reiches war es mit dem Frieden jedoch vorbei. Hunnen, Ostgoten, Franken und Langobarden fielen in Südtirol ein und nahmen das Land in Besitz. Ab dem 7. Jahrhundert stießen auch immer mehr Baiern über die Alpen vor. Dies alles führte dazu, dass sich die deutsche Sprache immer mehr verbreitete.
Ab 774 gehörte Südtirol nach dem Sieg Karls des Großen über die Langobarden zum sogenannten Frankenreich. Nach dem Tod Karls des Großen wurde das heutige Südtirol zweigeteilt: Die südlichen Landesteile kamen zu Trient und dem Königreich Italien, die nördlichen zum Herzogtum Bayern, aus dem sich das Heilige Römische Reich Deutscher Nation entwickeln sollte.
In den nächsten Jahrhunderten entbrannten erbitterte Machtkämpfe auf dem Gebiet des heutigen Südtirols. Siegreich bleiben dabei die Grafen von Vinschgau, auch Grafen von Tirol genannt. Ihr Stammsitz, die Burg Tirol, liegt oberhalb von Meran bei Dorf Tirol und kann heute noch besichtigt werden. Die Grafen von Tirol einten das Land und brachten es nahezu vollständig unter ihre Herrschaft. Erst 1363 übergab Margarethe von Maultasch, nachdem Mann und Sohn gestorben waren, das Land Tirol ihrem nächsten Verwandten, dem Habsburger König Rudolf IV.
Erste Blütezeit unter den Habsburgern
In diese Zeit ist der Bau bzw. die Entstehung unserer zwei historischen Häuser einzuordnen. Unter den Habsburgern erlebte das damalige Tirol eine erste Blütezeit. Wirtschaftliche Kraft erlangte das Land besonders durch seinen Salz-, Silber- und Kupferbergbau. Beendet wurde die Blütezeit mit dem Engadiner Krieg im Jahre 1499, als das österreichische Heer von schweizerischen Truppen im heutigen Vinschgau vernichtend geschlagen wurde. Nach dem Tod des letzten starken Tiroler Landesfürsten (und späteren Kaiser) Maximilian I. im Jahre 1519 kam es immer öfter zu Aufständen. Die Folge waren zahlreiche blutig niedergeschlagene Aufstände. Als Mitte des 17. Jahrhunderts der letzte Nachfahre der Tiroler Linie des Hauses Habsburg gestorben war, wurde Tirol politisch bedeutungslos.
Der Tiroler Freiheitskämpfers Andreas Hofer
Erst mit Beginn des 19. Jahrhunderts änderte sich die Lage wieder dramatisch. Hatte sich der Tiroler Landsturm noch 1797 bei Franzensfeste erfolgreich gegen napoleonische Truppen zur Wehr gesetzt, sah es nach Napoleons Sieg bei Austerlitz im Jahre 1805 schon ganz anders aus. Das von Napoleon geschlagene Österreich verlor Tirol an das mit Frankreich verbündete Bayern. Der harte Kurs Bayerns sorgte für zahlreiche Unruhen. Unter Führung von Andreas Hofer, des wohl bekanntesten Tiroler Freiheitskämpfers, erhoben sich die Tiroler gegen die ungeliebten Besatzer aus dem Norden. Das erfolgreiche Tiroler Bauernheer gewann mehrere Schlachten gegen Franzosen und Bayern. Doch der am 14.10.1809 zwischen Frankreich und Österreich geschlossene Frieden von Schönbrunn erneuerte die Abspaltung Tirols von Österreich. Erneut kam Tirol unter bayerische Herrschaft. Andreas Hofer gab seinen Befreiungskampf jedoch nicht auf und wurde, nachdem er die entscheidende Schlacht am Berg Isel bei Innsbruck (1. November 1809) gegen Napoleon und seine bayerischen Verbündeten verloren hatte, verraten und am 28.01.1810 auf der Pfandleralm (St. Martin in Passeier) gefangen genommen. Hofer wurde nach Mantua gebracht und dort vor ein französisches Kriegsgericht gestellt. Am 19.02.1810 verhängte dieses das Todesurteil über ihn, einen Tag später wurde er standrechtlich erschossen.
Doch Tirol sollte auch nicht lange unter bayerischer Herrschaft bleiben. Nach der Niederlage Napoleons gegen die preußische, russische, österreichische und englische Koalition fiel Tirol auf dem Wiener Kongress von 1814/1815 wieder an Österreich zurück.
1. Weltkrieg: Südtirol wird zum erbitterten Kriegsschauplatz
Der Erste Weltkrieg sollte die politische Lage Südtirols wieder entscheidend verändern. Mit der Kriegserklärung Italiens gegen Österreich-Ungarn (23. Mai 1915) wurde Südtirol zu einem erbittert umkämpften Kriegsschauplatz. Besonders heftig waren die Kämpfe im Ortlermassiv und in den nahegelegenen Dolomiten. Die alte Fleimstaler Bahn bzw. die Bahntrasse rund um Montan zeugt noch von dieser furchtbaren Kriegszeit. Die Bahn wurde in Rekordzeit gebaut um den schnellen Nachschub in die Dolomitenfront zu garantieren. Auch hier spielt unser Haus eine Rolle, nachdem wir beim Umbau des „Jordan-Haus“ entsprechende Aufzeichnungen bzw. Relikte gefunden haben. Im Dachgeschoss haben demnach die Offiziere welche den Bau technisch begleitet haben, gelebt. Auch war der junge Arthur Amplatz (Sohn des Jordan Amplatz) beim Bau der Bahn involviert und anscheinend so geschickt dass man ihn mit nach Wien holen wollte. In den eisigen Höhen der Dolomitenfront tobte ein erbarmungsloser Stellungskampf, bei dem sich die Natur als schlimmerer Gegner als der eigentliche Feind entpuppte. Immer wieder starben Menschen durch Lawinenabgänge und aufgrund der furchtbaren Kälte. Noch heute kann man übrigens in Südtirol und in den Dolomiten zahlreiche alte Kriegsstellungen besichtigen. Besonders beeindruckend: Die Stellung auf dem 3343 Meter hohen Gipfel der Marmolata, dem höchsten Berg der Dolomiten oder die Stellungen rund um den Lagazuoi.
Friedensvertrag von Saint Germain: Südtirol fällt an Italien
Schon während des Krieges hatte Italien heimlich Verhandlungen mit den Alliierten aufgenommen. Ziel der Italiener war es, eine Ausdehnung Italiens bis zum Brenner durchzusetzen. Man hat den Siegermächten z.B. England vorgemacht Südtirol wäre immer schon italienisch gewesen und hat dies durch gefälschte Landkarten mit erfundenen italienischen Ortsnamen (die es de facto nie gegeben hatte) untermauert. Besonders Ettore Tolomei, auch als Totengräber Südtirols bekannt, war hier einer der Hauptdarsteller dieses Lügenmärchens. Ettore Tolomei hat in der Folge in der Ortschaft Glen bei Montan gelebt und ist auf dem Friedhof von Montan in einem Sarkophag begraben. Die Parzelle auf der sich dieser Sarkophag befindet ist immer noch im Eigentum des italienischen Staates, so viel zur Aufarbeitung des Faschismus in Italien und Südtirol. Die Bemühungen von Ettore Tolomei und seinen Faschisten waren erfolgreich. Mit dem Friedensvertrag von Saint Germain im Jahre 1919 fiel das überwiegend deutschsprachige Südtirol an Italien.
Radikale Italienisierung unter Mussolini
Mit der Machtübernahme Mussolinis im Jahre 1922 setze eine radikale Italienisierung ein. Deutsch wurde als Amtssprache verboten, wurde aber im Geheimen weiter gesprochen. Durch eine sehr forcierte Siedlungspolitik siedelte man außerdem zahlreiche Italiener an, die meist aus dem armen Süden des Landes stammten. Schon Ende der 1930er Jahre waren rund 25% der Südtiroler gebürtige Italiener.
Das im Juni 1939 zwischen Hitler und Mussolini geschlossene Abkommen zur Umsiedlung der Südtiroler verschärfte die Situation noch einmal deutlich. Die deutschsprachige Bevölkerung hatte dabei zwei Optionen zur Wahl: Sie konnte sich entweder für eine deutsche Staatsbürgerschaft und die Auswanderung entscheiden oder die italienische behalten. Mit der zweiten Option wären Kultur und Sprache für immer verloren gewesen. Viele Südtiroler entschieden sich jedoch für die Beibehaltung der deutschen Staatsbürgerschaft. Die daraufhin einsetzende Abwanderung wurde erst durch den Ausbruch des zweiten Weltkriegs gestoppt.
Gruber-De-Gasperi-Abkommen und 1. Autonomiestatut
Nach dem zweiten Weltkrieg bestätigte das auf der Pariser Friedenskonferenz am 05. September 1946 zwischen Österreich und Italien ausgehandelte Gruber-De-Gasperi-Abkommen (benannt nach den Vertragsunterzeichnern, dem damaligen österreichischen Außenminister Dr. Karl Gruber und dem italienischen Ministerpräsidenten Alcide De Gasperi; auch Pariser-Abkommen genannt) zwar die Zugehörigkeit Südtirols zu Italien, sicherte den Südtirolern gleichzeitig aber auch Kultur- und Verwaltungsautonomie zu. Bald darauf nahm aber das 1. Autonomiestatut, das am 26. Februar 1948 erlassen worden war, von der Autonomie wieder einiges zurück. Statt der Schaffung eines unabhängigen Südtirols entstand aus den Provinzen Bozen und Trient die neue Region Trentino-Alto Adige. Da die deutschsprachigen Südtiroler hier klar in der Minderheit waren, konnte von einer wirklichen Autonomie also keine Rede sein.
Proteste auf Schloss Sigmundskron
Die Unzufriedenheit der deutschsprachigen Bevölkerung Südtirols erreichte ihren ersten Höhepunkt im November 1957. Am 17. November protestierten auf Schloss Sigmundskron (heute Sitz des Messner Mountain Museums Firmian) über 30.000 Südtiroler gegen die italienische Vorherrschaft und für eine autonome Provinz Bozen.
In den folgenden Jahren kam es zu mehreren Sprengstoffanschlägen durch die Südtiroler Freiheitskämpfer auf wichtige Infrastruktur wie z.B. Strommasten. In Folge gab es Verfolgungen und menschenrechtwidrige Misshandlungen, jedoch wurde dadurch die Weltöffentlichkeit bzw. die UNO wieder auf die Südtirol-Problematik aufmerksam und Österreich hat 1960 die Südtirol-Frage bei den Vereinten Nationen zum Thema gebracht und die Einhaltung des Autonomieabkommens sowie die Einhaltung der Gleichberechtigung zwischen der deutschsprachigen und italienischsprachigen Bevölkerung verlangt, doch blieb es in den Folgejahren bei einer deutlichen Benachteiligung der deutschsprachigen Bevölkerung.
2. Autonomietstatut und Streitbeilegungserklärung
Erst mit Inkrafttreten des 2. Autonomiestatuts von 1972 besserte sich die Lage für die deutschsprachige Bevölkerung Südtirols. Trotzdem dauerte es noch zwei Jahrzehnte, bis Österreich 1992 vor den Vereinten Nationen die sogenannte Streitbeilegungserklärung abgab. Damit erkannte Österreich an, dass Italien sich an die im Statut festgesetzten Regeln gehalten hatte. Besonders bei den Besetzungen von Stellen in der öffentlichen Verwaltung wurde nun auf eine gerechte Aufteilung zwischen deutschsprachiger und italienischsprachiger Bevölkerung geachtet.
Wer heute in Südtirol unterwegs ist, bekommt von den immer noch latent schwelenden Spannungen kaum etwas mit. Die finanzielle Autonomie Südtirols sorgt immer wieder für Unmut bei italienischen Politikern, trotz dass Südtirol eigentlich seit Jahrzehnten Nettozahler ist (also mehr an den Staat abgibt als bekommt). Die autonomen Kompetenzen wurden die letzten Jahre über wieder stark beschnitten und von einer sog. Vollautonomie wie ursprünglich für Südtirol vorgesehen ist man noch sehr weit entfernt.